Das Bekenntnis Clemens Holzmeisters zur Tradition, zur Wahrung von Vertrautem und Bewährtem, seine Abneigung gegenüber dem radikalen Bruch werden besonders in baulichen Details sichtbar:
So verzichtet er in Brotdorf noch nicht auf Seitenaltäre, die symmetrisch zur Mittelachse angeordnet sind. Die Strenge der schmucklosen Wände löst er durch Rundfenster von unterschiedlicher Größe auf, die ausschließlich die natürlichen Lichtverhältnisse des Kirchenschiffes bestimmen, da die Lichtwirkung der kleinen (romanischen) Rundbogenfenster in den seitlichen Führungsgängen und hinteren Nischen kaum über diese Bereiche hinausreicht.
Clemens Holzmeister verzichtet auch nicht auf die Nische, ein von älteren Kirchen her vertrautes traditionelles Bauelement, das zu den ältesten Architekturformen überhaupt gehört. Doch sie erfült in Brotdorf augenscheinlich nur noch in geringem Maße ihre eigentliche Funktion.
Das Bedürfnis nach Alleinsein und Konzentration vermögen weder die hinteren noch die Seitenaltarnischen zu befriedigen; denn sie trennen sich zu wenig vom Hauptraum. Offensichtlich werden auch die Nischen der Zusammenführung der ganzen Gemeinde im Volksgottesdienst untergeordnet, und ihre Funktion scheint stärker darin zu liegen, die ernste Sachlichkeit des kubischen Kirchenschiffes aufzulockern und die ungebrochene Kontinuität der Kirche baulich zu dokumentieren.
Das traditionelle Erkennungszeichen schlechthin für Kirche, das Kreuz, ist überall gegenwärtig. In Form (als lateinisches, griechisches oder Tatzenkreuz) und Material ständig varriierend, gerät es nicht aus dem Gesichtskreis, fordert es unaufhörlich den Gläubigen auf und heraus: Beim Betreten der Kirche in steinerner Monumentalität über dem Mitteleingang, das Rundfenster teilend; bescheidener, aber unübersehbar als Türelement der übrigen Eingänge, als Salbungskreuze in die steinernen Türpfosten des Mitteleingangs gemeißelt, als Stationszeichen des Kreuzweges, als Glasornament der Rundfenster, als Gestaltungselement des Taufbeckens, als Halterungsteil von Ampelschalen und Kerzenhaltem etc.
Die Annahme scheint berechtigt, daß es kaum einen Kirchenbaumeister gibt und gegeben hat, der dem Kreuz als zentralem christlichem Dingsymbol für Opfer und Erlösung mehr Raum eingeräumt hat als Clemens Holzmeister.
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